Aachen-Brand,
Columbarium St. Donatus
Goldene Grablege im Nachkriegskirchenraum
Baujahr: 1968-70
Architekt: Josef Viethen, Erkelenz
Denkmalstatus: Nein
Ehem. kath. Filialkirche "Erlöserkirche" der GdG / Pastoraler Raum Aachen-Forst / Brand im Bistum Aachen
Umbau: 2015-16
Architekt: Axel Birk und Elmar Paul Sommer (Aachen)
Profanierung: 2015
Neuweihe: 2016
Verkauf: Nein
Konfession: katholisch
Eigentümer / Trägerschaft: Kath. Kirchengemeinde St. Donatus, Aachen-Brand
Lage / Adresse: Richard-Wagner-Straße 1, 52078 Aachen-Brand
im Norden des Stadtbezirkes Aachen-Brand gelegen, einem Neubaugebiet aus den 1950er Jahren, mit kath. Grundschule und Kindergarten als Nachbarn
Bau
Kubische turmlose Nachkriegskirche auf querrechteckigem Grundriss in Backstein-Beton-Glas-Optik, heute teils verschiefert; im Inneren nimmt sie mehrere Kapellen-Zylinder für Urnenbestattungen sowie einen elliptischen Gottesdienstraum im Bereich der ehemaligen Werktagskapelle auf.
Transformation
Aufgreifen des Aachener Erfolgsmodells "Kolumbarium"
Nach der Zusammenlegung der Pfarre Aachen-Brand mit der Pfarre Aachen-Forst wurde man sich im benachbarten Stadtteil Rothe Erde bei der Grabeskirche St. Josef bewusst, dass die Urnenplätze bald vollständig reserviert sein würden. Nur gut fünf Kilometer von dieser entfernt, sah man in der Erlöserkirche das Potenzial für eine weitere Urnenkirche. Mit Architekt Axel Birk im Kirchenvorstand konnte die Planung ohne größere Hemmnisse und zügig angegangen werden und so wurde aus der zweiten Kirche der heutigen Gemeinde St. Donatus, der Ende der 1960er Jahre entstandenen großräumigen Erlöserkirche, ein Kolumbarium mit großzügig kalkulierten Urnenplätzen.
Raum
Außen bleibt die Nachkriegskirche nahezu unverändert. Die großen Fensterflächen auf der Eingangsseite erhielten eine Farbverglasung anstelle der Milchglasfenster, die mit den Jahren vergilbt waren. Die Entwürfe für die Farbverglasung stammen noch von Ludwig Schaffrath aus der Bauzeit der Kirche, wurden jedoch aus Kostengründen sukzessive umgesetzt, die großen Fensterflächen erst mit dem Umbau zum Kolumbarium. Ein neues Fenster im EG neben dem Seiteneingang belichtet den neuen Büroraum für die Verwaltung des Kolumbariums.
Glanzlichter
Die Oberflächen des Kircheninnenraums sind grau geschlämmt oder bei ihrer Neugestaltung direkt in grauen Farbtönen ausgeführt. So wurden die Kapellenwände aus eigens gefertigten trapezförmigen Ziegeln gemauert und der neue Fußboden in grauem Muschelkalk ausgeführt. Das Grau lässt die goldenen Akzente im Raum und die neue Farbverglasung strahlen und rückt den ursprünglichen tektonischen Raum in den Hintergrund.
Sakral
Der groß dimensionierte Kirchenraum wurde durch Profanierung und den Einbau der Urnenkapellen zum Indoorfriedhof, die ehemalige Werktagskapelle wird für Trauerfeiern, Gedenkgottesdienste und Andachten genutzt. Gleichzeitig strahlt der Raum durch die neue Farbgestaltung und die neue Verglasung eine sakrale Atmosphäre aus, die durch den Zukauf von historischen Heiligenfiguren für die Kapellen unterstützt wird. Im Eingangsbereich wurde ein Taufbecken aus dem Bestand der Pfarrei St. Donatus ergänzt, das in einer Achse zu den flachen Wasserbecken vor der ehemaligen Altarwand steht, einer Symbolik, die bereits in der Grabeskirche St. Josef eingeführt wurde.
Neue Wege
Der Zugang zum Kolumbarium erfolgt schwellenfrei entweder über einen der Seiteneingänge oder über den Haupteingang. Der linke Seiteneingang führt am Büro und seinem Fenstern vorbei und wird daher gerne gewählt, um dort „hallo“ zu sagen. Nutzt man den Seiteneingang, läuft man auf eine geschlossene Kapellenwand zu, an der man rechts oder links vorbeigehen kann. Der Weg über den Haupteingang führt am Taufbecken vorbei auf die goldene Wand zu. So oder so kommt man nur über „verschlungene Wege“ zum neuen Gottesdienstbereich.
Veranstaltungsraum
Der Raum wird unregelmäßig für Konzerte oder Ausstellungen genutzt, so z. B. für einen Abend mit keltischer Harfenmusik. Für diesen Zweck kann die Freifläche in der Mitte des Raumes flexibel bestuhlt werden.
TRANSARA-Perspektiven
Die neue Raumteilung in mehrere kleine Kapellen für die Urnenwände lässt diese wie einzelne Ritualräume erscheinen. Der neu gestaltete Andachtsraum erscheint vom Kolumbariumsbereich abgetrennt, obwohl er exklusiv für Trauergemeinden eingerichtet wurde. Zudem ist er nicht organisch in den bestehenden Raum eingefügt – teilweise behindern die Säulen die Sichtachsen. Materiell hat der Raum eine Aufwertung erfahren - aus Perspektive der Liturgiewissenschaft ist sein Potenzial jedoch nicht voll ausgeschöpft worden. In den neu entstandenen Sichtachsen und Bezügen zwischen den kapellenartigen Räumen für die Urnenplätze, den neu angeschafften historischen Heiligenfiguren, der goldenen Altarwand und des neu eingerichteten Andachtsraums für die Trauergemeinde scheinen viele Wünsche auch einer typologischen Aufwertung mitzuschwingen.
Aus einem großen Nachkriegskirchenraum in nüchterner Betonoptik wird ein Indoor-Friedhof mit zylindrischen Kapelleneinbauten in Goldoptik und einem verkleinerten Gottesdienstbereich. Die vormals vorhandenen zentralen Blickachsen und die Rechtwinkligkeit des Raumes werden durch die Kapellen-Einbauten bewusst irritiert und nun auf eine neue „Trauerlandschaft“ im Raum gelenkt. Eine Nachkriegskirche in der Aachener Peripherie, die trotz überschüssiger Raumgröße und fehlendem Denkmalstatus nicht abgerissen werden muss, sondern als Hülle einer neuen seelsorgerischen Nutzung innerhalb der Gemeinde dient.
Das Konzept dürfte seine Investitionskosten bei voller Auslastung relativ schnell ausgeglichen haben und erlaubt den Betrieb und den Unterhalt sowie die Deckung notwendiger Personalkosten vor Ort. Eine zeitnahe vollständige Auslastung ist angabegemäß jedoch nicht angestrebt. Es muss sich also zeigen, wie tragfähig sich das Konzept auf längere Sicht darstellt. Eine Wirtschaftlichkeitsanalyse wird im Bistum Aachen für Kolumbarien standardmäßig erstellt, eine kaufmännischeMachbarkeitsstudie wurde nach unserem Kenntnisstand nicht durchgeführt. Zu erörtern ist, ob es Möglichkeiten gibt, alle Stakeholder vor Ort enger in Prozesse einzubinden und den Standort zusätzlich auf andere Art und Weise für das Quartier zu öffnen. Fraglich ist weiterhin, ob durch ein Alternativnutzungskonzept größere positive externe Effekte im Quartierskontext möglich gewesen wären und mit dem umgesetzten Konzept die maximal mögliche „Sozialrendite“ erzielt werden konnte.
Links und Literatur
- https://www.columbarium-aachen.de/index.php
- Lieb, Stefanie / Klauser, Manuela / Schmitz, Martina u.a.: Für die Ewigkeit? Kirchenkolumbarien - eine interdisziplinäre Zwischenbilanz, in: Die Denkmalpflege, 81. Jg. 2023, Heft 2, 139-147, hier 141-142.