Düren,
Kindertagesstätte San Pedro
Mit Bobbycar zum Holzaltar
Baujahr: 1951-1953
Architekt: Albert Boßlet
Denkmalstatus: Ja
Umbau: 2018
Architekt: Achim Schmitz / Martin Heerich Düsseldorf (ehem. Büro Hypothese)
Profanierung: 2017
Verkauf: Nein
Konfession: katholisch
Eigentümer / Trägerschaft: Kirchengemeinde St. Bonifatius in der Pfarrei St. Lukas
Lage / Adresse: An St. Bonifatius, 52351 Düren
Innenstadtlage der Kleinstadt Düren, inmitten von Wohnbebauung, einer großen Schule und der Hicred Moschee der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs, angrenzend an den Friedhof Düren-Ost
Bau
freistehende Pfarrkirche auf longitudinalem Grundriss
Transformation
Eine Gemeinde lässt sich nicht verdrängen
Als die Gemeinde St. Bonifatius 2010 in die Großpfarrei St. Lukas eingemeindet und ihr bekannt gegeben wurde, dass ihre Kirche St. Bonifatius im Rahmen des KIM-Prozesses zukünftig aus der Finanzierung des Bistums fällt und aufgegeben werden soll, war der Frust groß. Die Gemeinde sollte für ihre Gottesdienstfeiern in (eigentlich zu kleine) Räumlichkeiten ins Jugendheim ausweichen, doch was aus dem Kirchengebäude dann werden sollte, blieb lange unklar. Aus dem Widerstand in der vitalen Gemeinde, das Gebäude abzugeben, gründete sich bald die Initiative „Bonifatius soll Gemeindekirche bleiben“, aus der einige Zeit später der „Förderverein St. Bonifatius Kirche Düren“ hervorging. Auch der Dürener Stadtrat schaltete sich ein und gemeinsam erörterte man verschiedene Umnutzungskonzepte. Die Idee, das Gebäude in seniorengerechten Wohnraum umzubauen, scheiterte letztlich an dem im Zuge des Verhandlungsprozesses erreichten Denkmalschutz (2013) der Kirche.
Erhalt des denkmalgeschützten Baus durch ein wirtschaftliches Nutzungskonzept
2015 kam die Idee auf, in den Kirchenraum dringend benötigte KiTa-Räume zu integrieren, auf die sich Denkmalpflege, Kommune und Bistum schnell einigen konnte, während man in der Kirchengemeinde selbst zunächst skeptisch blieb. Doch nachdem die Stadt Düren für die Baukosten sowie den Unterhalt der KiTa-Gruppen finanzielle Unterstützung zugesagt hatte, war die Entscheidung rasch gefallen. Am 7. Januar 2017 wurde in St. Bonifatius schließlich der (vorerst) letzte Gottesdienst gefeiert und die Kirche anschließend profaniert, damit die Umbauarbeiten beginnen konnten.
Raum
Vom damaligen Düsseldorfer Architekturbüro Hypothese, Martin Heerich und Achim Schmitz, wurde eine ‚Haus im Haus‘ - Lösung vorgeschlagen, die vorsah, das rechte Seitenschiff großflächig zu öffnen. Längsseitig sollte ein Kubus für die neuen KiTa-Räume in den Kirchenraum hineingeschoben werden, der sich in seiner Materialität deutlich von der ursprünglichen Bausubstanz absetzt. Der nur die halbe Raumhöhe des Kirchenschiffs einnehmende Kubus umschließt auch die schlanken Pfeiler des rechten Seitenschiffs, die somit aus seinem Dach emporwachsen. Zwei weitere Kuben erheben sich in dem ehemaligen Altarraum und im Bereich unter der Westempore. Die KiTa-Räume sind hinter den teils verglasten, teils mit Holzlamellen verkleideten Fassaden gut und durchdacht miteinander verbunden und erschließen sowohl das Erd- als auch das Untergeschoss, durch das die KiTa im Tagesbetrieb auch betreten wird. Der Hauptraum der Kirche ist in seiner Weite und Höhe weitestgehend unangetastet geblieben und damit noch immer sehr gut erlebbar.
Einrichtung
Während die KiTa-Räume funktional und nutzungsbezogen in freundlicher, heller Bauweise angeordnet und eingerichtet sind, wird das ehemalige Kirchenschiff lediglich temporär und flexibel möbliert. Es dient der KiTa als freier Bewegungsraum und wird von der Kirchengemeinde an den Wochenenden wieder für Gottesdienstfeiern genutzt. Auch die Orgel wurde saniert und wird regelmäßig genutzt. Der Name der Kita erinnert an den Landespatron Kolumbiens, dem Partnerland des Bistums Aachen.
Die Außenansicht der Kirche blieb nahezu intakt, da die Kita an der rechten Gebäudeseite durch das Souterrain betreten wird. Die Fassade kommuniziert städtebauliche Unversehrtheit, obgleich das Gebäude weder öffentlich zugänglich noch in erster Linie als Kirche genutzt wird. Für viele Gemeindemitglieder war diese signifikante Sichtbarkeit gerade aufgrund der unmittelbaren Nachbarschaft zu einer Moschee von großer Relevanz.
Sakral
Nicht nur der architektonisch behutsame und ästhetisch gelungene Einbau der neuen Räume, sondern auch die Wiederaneignung des Gebäudes durch die Kirchengemeinde stellen spannende Aspekte des Umnutzungsprozesses dar. Während die beteiligten Akteure aus Denkmalpflege, Baureferat und Stadtrat sich in erster Linie auf die Ausarbeitung eines funktionsgerechten, finanzierbaren und zukunftsweisenden Nutzungsmodells für das Gebäude konzentrierten, ließ die Kirchengemeinde sich in ihrer Vitalität und dem Willen, das Gebäude auch für sich selbst zugänglich zu halten, nicht beirren.
Alte und neue Liturgische Orte
Obwohl angedacht war, dass der Hauptraum an den Wochenenden der Gemeinde zur Nutzung zur Verfügung steht und insbesondere die außergewöhnliche Taufkapelle mit ihren Betonglasfenstern von Wilhelm Buschulte – die einzigen in der Region – als liturgischer Ort genutzt werden soll, wurden keine entsprechenden Vorkehrungen wie ein Stuhllager oder eine Neuanordnung der liturgischen Orte umgesetzt. Die ehemalige Taufkapelle dient nun als Aufstellungsort für die liturgische Ausstattung aus dem ehemaligen Altarraum und kann nicht mehr für sich selbst wirken. Sie wird neben Tauffeiern auch für Schulgottesdienste und Rosenkranzgebete genutzt. Die Gemeinde nutzt im Hauptraum den mobilen, pädagogisch konzipierten Altartisch der KiTa mit. Bei den Gottesdienstfeiern probiert sie verschiedene Formen der Orientierung und Stuhlanordnung aus. Obwohl die longitudinale Aufstellung in zwei Blöcken in Richtung des ehemaligen Altarraums dabei besonders viele Defizite aufweist (Blick gegen Wand und Fenster der neuen KiTa-Räume, aus der Raumachse verschoben, Beleuchtung nicht angepasst), wird sie noch auffallend häufig gewählt.
TRANSARA-Perspektiven
Die Kirchengemeinde wurde 2010 vor vollendete Tatsachen gestellt und fühlte sich vertrieben. Die nachfolgenden Aushandlungsprozesse drohten die Kirchengemeinde zu spalten – eine Veränderung wurde erzwungen. Die Umnutzung des Gebäudes ist sehr gelungen, doch es ist ein typisches Beispiel für einen Top-Down-Prozess. In diesem Zusammenhang ist nachvollziehbar, dass die Gemeinde nach dem Umbau alles daran setzte, sich den Raum wieder anzueignen. Der freie Raum im Kirchenschiff ermöglicht eine variable liturgische Nutzung, die immer wieder neu erprobt wird. Positiv hervorzuheben ist die Restaurierung der Orgel im Zuge der Transformation.
In seiner hybriden Nutzungslogik changiert das Fallbeispiel zwischen „Ablösung“ und „Separation“: Der Kirchenraum, der als Bewegungsraum für die Kinder dient, wird zwar weiterhin auch für Gottesdienste genutzt, aber eine bewusste ästhetische Gestaltung oder ein Eingehen auf die Mitnutzenden ist nicht erkennbar. Dabei ergäben sich durch die optische Durchlässigkeit des Einbaus interessante Möglichkeiten des Übergangs und der Interaktion. Auch durch die Öffnungs- und Schließlogiken werden beide Nutzungsbereiche klar voneinander getrennt: Ein separater Eingang zum Kirchenraum ist nur zu den Gottesdienstzeiten geöffnet. Übergänge zwischen den beiden Sphären scheinen nicht vorgesehen.
Aus kunsthistorischer und denkmalpflegerischer Sicht ist die Erhaltung der Kirche im Stadtbild positiv zu bewerten. Auch im Inneren ist der ursprüngliche Kirchenraum nachvollziehbar und hat durch den Einbau der Kita eine zeitgemäße Anpassung erfahren. Der Kubus mit der Kita-Küche im ehemaligen Altarbereich (Eucharistie!) irritiert allerdings und verschiebt die Achse des Raumes. Die ursprüngliche und qualitätvolle Ausstattung (Albert Sous und Wilhelm Buschulte) entfaltet in der nun überfrachteten ehemaligen Taufkapelle nicht mehr ihre Wirkung, bleibt aber immerhin vor Ort erhalten.
Aus immobilienwirtschaftlicher Sicht wurde mit der Nutzung als Kindertagesstätte ein (u.a. durch öffentliche Mittel) tragfähiges Betreiberkonzept mit positiver Sozialrendite und Quartierswirkung etabliert. Augenscheinlich wurde der Bedarf vor Ort ermittelt und somit eine Markt- und Standortanalyse durchgeführt. Der Teilumbau mit einem Raum-in-Raum-Konzept stellt eine gelungene Kompromisslösung aus immobilienwirtschaftlicher und denkmalpflegerischer Sicht dar. Es finden angabegemäß Gottesdienste sowie andere Veranstaltungen im großzügigen ehemaligen Kirchenschiff statt, wodurch eine Ausgrenzung der Kirchengemeinde vermindert wird. Allerdings ist keine öffentliche Zugänglichkeit gegeben, was wiederum der Nutzung als KiTa und somit Schutzraum für Kinder geschuldet sein dürfte.
Links und Literatur
- Maximilian Gigl, Sakralbauten. Bedeutung und Funktion in säkularer Gesellschaft, Freiburg i. Br. 2020, 392-415.
- Stephan Johnen, Wie sieht die Zukunft von St. Bonifatius aus? Um eine Antwort wurde in Düren lange gestritten, 2023 [https://kirchenzeitung-aachen.de/a-blog/Von-der-Kirche-zur-Kita/].