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12. Dezember 2024

7. TRANSARA Netzwerktreffen zu Umnutzungen sakraler Bauten und Wohnraumbedarf 7. TRANSARA Netzwerktreffen zu Umnutzungen sakraler Bauten und Wohnraumbedarf

Am 5. Dez. 2024 fand das siebte Treffen des TRANSARA Netzwerks online via Zoom statt.

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Netzwerktreffen-002.jpeg © Yannik Gran
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Am 5. Dez. 2024 fand das siebte Treffen des TRANSARA Netzwerks als Online-Veranstaltung statt. Das Treffen widmete sich dieses Mal umfassend der Wohnraum-Umnutzung von Kirchengebäuden sowie den Auswirkungen des vor allem im urbanen Umfeld dringenden Wohnraumbedarfs auf Kirchenumnutzungen und Gebäudeabrisse. Dazu gab die Forschungsgruppe TRANSARA zunächst einen Einblick in ihre Forschungsdaten aus den Untersuchungsräumen Ost und West. Anschließend wurde das Thema durch Impulsvorträge von Stefan Heinig, Matthias Ludwig und Niklas Irmen aus den Bereichen der Stadtentwicklung, der Denkmalpflege und der langjährigen Erfahrung mit Umnutzungen von Kirchengebäuden umfassend beleuchtet.

Stefan Heinig [Stadtentwicklungsplanung]: "Kirchen zu Wohnungen? Perspektiven aus Stadtplanung und Wohnungsbaupolitik"

Matthias Ludwig [Berater Kirchen(Um)Bau]: „Wohnen in der Kirche – eine k/eine gute Idee ?“

Niklas Irmen [Bau- und Kunstdenkmalpflege Berlin]: Wohnumbauten von (Nachkriegs-)Kirchen aus Perspektive der Denkmalpflege

Zu Beginn des Treffens gab die Forschungsgruppe TRANSARA einen Einblick in die von ihr gesammelten Daten zu Wohnumnutzungen in ihren beiden Untersuchungsräumen, wobei die Datenlage viele Fragen aufgibt, die es noch zu klären gilt. Während es im Untersuchungsraum West (Aachen) bereits zahlreiche Beispiele von Kirchen gibt, die zu Wohnraum, Büros, Pflege- und Betreuungseinrichtungen umgebaut wurden und ebenso viele Beispiele für Abrisse, denen sowohl private Neubebauungen (meist EFH des Reihenhaustyps) als auch Neubebauungen durch kirchliche Verbände resp. Träger folgten, ist diese Form der Umnutzung im Untersuchungsraum Ost (Leipzig) bisher nur vereinzelt anzutreffen. 

Generell lassen sich Unterschiede bei Fällen im städtischen oder ländlichen Raum beobachten. Im urbanen Umfeld erhöht der hohe Wohnraumbedarf zwar den Verwertungsdruck für Grundstücke, hohe Materialpreise und Fachkräftemangel verursachen zugleich aber eine aktuelle Stagnation im Wohnungsbau. In ländlichen Gebieten lässt sich dagegen mehr Leerstand von Gebäuden sowie Abwanderung beobachten, was eher private Umnutzungen zu Ferienwohnungen, Ateliers oder Eigenheimen zur Folge hat. Ob Wohnumnutzungen generell einen guten Weg zum Erhalt der Gebäudefassade darstellen und/oder die Nutzung von Fördermitteln und kommunalen Zuschüsse aus der sozialen Wohnungsbauförderung Umnutzungsprojekte dieser Form begünstigen, ist für jeden Fall einzeln zu prüfen. Abriss und ein gewinnträchtiger Verkauf des Grundstücks dienen zumeist der Querfinanzierung anderer Projekte. Dabei kann ein Eigenverwertungsinteresse der Kirchen bzw. Kirchlicher Verbände für die Grundstücke eine Rolle spielen. Grundsätzlich aber ist die Datenlage zu Abrissen für Wohnbebauung resp. mit anschließender Wohnbebauung deutschlandweit unübersichtlich, aber ein Anstieg der Fälle ist zu vermuten. In diesem Sinne wäre auch eine Untersuchung zu ansteigender Flächenversiegelung durch Nachverdichtung auf (ehem.) Kirchengrundstücken interessant.

Aus denkmalpflegerischer Perspektive liegt bei Wohnumnutzungen der Fokus auf dem Erhalt der Fassade – gelegentlich auch vereinzelt Elemente fest verbauter Ausstattung –, was den historischen Gebäudewert meist auf sein äußeres Erscheinungsbild reduziert, dabei aber (gerade in Hinblick auf Architekturen des 20. Jh.) konstruktive Eigenschaften ebenso wenig berücksichtigt, wie räumliche Elemente. Bei nicht denkmalgeschützten Fassaden sind hingegen massive Eingriffe in die Bausubstanz zu beobachten, die die Bauten oftmals bis zur Unkenntlichkeit ihrer ursprünglichen Erscheinung verändern. Grundsätzlich bleibt aber anzuerkennen, dass jede Weiterverwertung von Gebäudebestand eine Schonung von Ressourcen und eine Vermeidung der weiteren Erhöhung des CO2-Fußabdrucks der Baubranche bedeutet. Ökonomisch haben sich in der Vergangenheit nur wenige Wohnumbauten von Kirchen gerechnet, aktuell sind sie als unwirtschaftlich einzustufen, da sich Wohnungsbau massiv verteuert hat und sozialverträgliche Mieten ohne massive Förderung kaum zu halten sind. Auch die Aspekte einer immateriellen Wertschätzung schneiden bei Wohnumnutzungen deutlich schlechter ab, als bei anderen Umnutzungsformen. Zuletzt ist aus theologischer Sicht festzuhalten, dass die Räume für die Versammlung und die Gemeinschaft verloren gehen, es jedoch bestimmte Entwicklungen gibt, die diese Verluste (teilweise) kompensieren resp. durch neue Öffnungen in den Sozialraum hinein ersetzen. So lässt sich feststellen, dass bei Neu- und Umbauten durch kirchliche Träger (Diakonie, Caritas, kirchliche Siedlungswerke u.a.) die Entstehung von Erinnerungsräumen, Kapellen oder neuen Sozialangeboten eher berücksichtigt wird. Einzelne Projekte zeigen zudem Möglichkeiten der Kombination oder Einbindung des (ehem.) kirchlichen Raums in Wohnprojekte auf, beispielsweise als multifunktionaler Kulturraum oder als hybrid genutzter Begegnungsraum. Dass Wohnen und Kirche(n-Umnutzung) sehr gut zusammen gedacht werden können, zeigt sich insbesondere an einer Vielzahl von Beispielen aus der Stadt Köln – von der ev. Christuskirche über die städtische ehem. Waisenhauskirche in Sülz bis zum Neubau der ev. Erlöserkirche in Weidenpesch. Auch die aktuelle Neunutzung der ev. Lukaskirche in Köln-Porz als Quartierzentrum oder die Integration der ehem. Auferstehungskirche Buchforst in das auf dem Grundstück des Gemeindezentrums neu entstandene Seniorenwohnprojekt seien erwähnt. 

Die Impulsvorträge von Stefan Heinig, Matthias Ludwig und Niklas Irmen vertieften die von TRANSARA vorgestellten Aspekte und fügten diesen noch weitere relevante Punkte hinzu.

So konnte Stefan Heinig erhellende Einblicke in die städtebauliche Relevanz der Thematik geben, insbesondere was den derzeitigen kommunalen Konflikt zwischen Nachverdichtung, Leerstandsbekämpfung und der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum einerseits und einer klimaresilienten Bodenpolitik, stark gestiegenen Kosten in der Baubranche und der Notwendigkeit zur Neudeklarierung von Bedarfsflächen anderseits angeht. U. a. aus diesen Gründen rücken die Förderung alternativer Wohnformen (Genossenschaften, Stiftungen u.a.), Entwicklungskonzepte für Stadtquartiere, Gemeinbedarfsflächen (unter die i.d.R. Kirchengrundstücke fallen) sowie im ländlichen Bereich insbesondere Konzepte für altersgerechtes Wohnen weiter in den Fokus der Stadtplanung.

Matthias Ludwig zog ausgehend von zwei bereits länger zurückliegenden Wohnumnutzungen bzw. Mischnutzungen – die ev. Lutherkirche in Berlin-Spandau (1990er Jahre) und die ev. Nikolaikirche in Rostock – ein Fazit aus sowohl theologischer als auch kunsthistorischer Perspektive. Wirtschaftlich haben sich beide Projekte bereits damals nicht gerechnet, doch in der Nikolaikirche hat die Form der Mischnutzung neue Formen des Gemeindelebens und die Ausstrahlung des Ortes in das Quartier hinein gefördert [Beitrag moderneRegional]. Der etwas später erfolgte Umbau der Spandauer Lutherkirche hatte eine umfassende denkmalpflegerische Kontoverse zur Folge, welche die seinerzeit angesetzten Berliner Gespräche zur zukünftigen Nutzung der großen Berliner Citykirchen grundlegend beeinflusste [Rainer Fisch: Kirchen und Denkmalpflege im Dialog: Die Berliner Gespräche zur Nutzung von Kirchengebäuden, in: Die Denkmalpflege 81.2023, S. 155-164].

Eine Umnutzung von Kirchengebäuden für Wohnzwecke beinhaltet sehr viele Vor- und Nachteile, die sorgfältig im Einzelfall abgewogen werden müssen. Ökonomie, Nachhaltigkeit, Denkmalwert und Mehrwerte in diakonischer, städtebaulicher sowie immaterieller Hinsicht müssen in Beziehung zueinander gesetzt werden.

Niklas Irmens Beitrag widmete sich insbesondere Bauten der Nachkriegsjahre und hierin verschiedenen realisierten Typen der Wohnumnutzung – vom Ein- und Mehrfamilienhaus über die Mischnutzung bis zu Seniorenwohnformen und sozialem Wohnungsbau: Umnutzungsbeispiele der vergangenen 20 Jahre aus NRW. Irmen eröffnete eine differenzierte Betrachtung verschiedener Umnutzungstypen und ihrer Auswirkungen auf die Architektur und ihr Umfeld. Denkmalpflegerische Aspekte wie die Relevanz des Erhalts von Architekturfragmenten für die Ablesbarkeit der Lokalgeschichte, bauliche Identifikationswerte und der dokumentarische Wert zur Bauaufgabe Nachkriegskirche standen dabei im Vordergrund. Als relevant beobachtete Irmen aber auch eine positive Auswirkung der peripheren Lage und signifikanten Form von Nachkriegskirchen auf oft homogen gestaltete Wohnquartiere. Das Beispiel des Umbaus der kath. Kirche Maria Königin in Dülmen in eine Senioren-Wohnkirche 2011 [Zukunft Kirchen Räume] zeigte zudem, dass Mischnutzungsformen in diesem Kontext nicht (mehr) allein evangelischen Kirchen vorbehalten sind.

Insgesamt zeigten alle Beiträge sowie die rege Diskussion aller Teilnehmenden, dass es zu diesem Thema keinen Konsens gibt. Vielmehr ist die Bandbreite der Aspekte, die es bei Weiterentwicklungen zu Wohnformen zu beachten gilt, weiter auszudifferenzieren und dabei auf ein gemeinwohlbezogenes Gleichgewicht zu achten. So können nachhaltig wirksame Umnutzungsprojekte entstehen, die der ursprünglichen Funktion der Bauten ebenso Respekt zollen wie der Nutzung durch gegenwärtige und zukünftige Generationen.

Das nächste Netzwerktreffen wird im Frühjahr 2025 stattfinden. Thema und Termin werden rechtzeitig bekannt geben.

Dr. Manuela Klauser

klauser@transara.de

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