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26. März 2024

Impulse für Kirchenentwicklung durch Gebäudetransformation Impulse für Kirchenentwicklung durch Gebäudetransformation

Rückblick auf den Impulstag "Kirchengebäude weiter nutzen" in Chemnitz

Der Impulstag des Referats Bau der sächsischen Landeskirche in Kooperation mit Teilprojekt 2 zeigte, was mit einer Haltung der Ermöglichung bei Verantwortlichen und mit ehrenamtlichem Engagement möglich ist.

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Impulstag Eindruck.jpg © Kerstin Menzel
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Die multifunktional eingerichtete Jugendkirche St. Johannis in Chemnitz mit Nebenräumen, Küche und eingebauten Büros sowie Traumwolken unter der himmelblauen Decke bot die passende Kulisse für den Impulstag von „Kirche, die weiter geht“. Dieser fand in Kooperation mit der Theologischen Fakultät Leipzig, dem Baureferat der Landeskirche und der Heimvolkshochschule Kohren-Sahlis am 3. Februar statt. Etwa 60 Teilnehmende aus Gemeinden, Verwaltungsämtern, baubezogenen Professionen, Denkmalpflege und weiteren Bereichen tauschten sich über zukunftsfähige Nutzungskonzepte für Kirchengebäude und die darin liegenden Chancen für Gemeindeentwicklung aus. Neben den Vorträgen war eine für den Tag extra nach Chemnitz geholte Ausstellung der Wüstenrot-Stiftung mit Beispielen von Dorfkirchen zu besichtigen, die am Wettbewerb „Land und Leute. Die Kirche in unserem Dorf“ teilnahmen und zu zentralen Orten und Begegnungsräumen entwickelt wurden.

Dr. Kerstin Menzel, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten, interdisziplinären Forschungsgruppe „Sakralraumtransformation“, plädierte in ihrem Vortrag für eine Überwindung eines nur auf den Gottesdienst reduzierten Verständnisses von Kirchenräumen. Auch deren Bedeutung als soziale und diakonische Orte, als Räume von Identität und Kultur sei theologisch begründet. Glaube und Gottesbegegnung vollziehe sich in vielfältigen Formen, was in Nutzungspartnerschaften in diesen Bereichen noch deutlicher zum Ausdruck bringen können. Demgegenüber stünden Umnutzungen von Kirchengebäuden zu exklusiven, konsumfokussierten oder privatisierten Orten in Spannung zum symbolischen Gehalt dieser Räume. Insbesondere in der Vernetzung mit anderen Akteuren in der Zivilgesellschaft ließen sich viele zukunftsfähige neue Nutzungsformen finden. 

Landeskonservator Alf Furkert hob die seit dem 2. Weltkrieg erreichte Erhaltung der Kirchengebäude als Teil der reichen Denkmallandschaft Sachsens als besonderen Erfolg hervor. Auch im Kontext der Schrumpfung kirchlicher Mitgliedschaft blieben Kirchengebäude „Symbol- und Hoffnungsträger“. Anhand der Dreikönigskirche Dresden als Veranstaltungszentrum und der Ruine der Dresdner Zionskirche als Lagerort für geborgene historische Fassadenteile zeigte er auf, dass Funktionsänderungen von Kirchen kein gänzlich neues Phänomen sind. Dabei werde es meist umso komplizierter, je weiter eine neue Nutzung von der ursprünglichen Intention entfernt sei. Bauliche Veränderungen für eine kirchliche oder erweiterte Nutzung, wie der Einbau von Gemeinderäumen oder einer Küche sei meist unbedenklich, da die Nutzung immer zum Erhalt des Gebäudes beitrage. Allerdings bleibe der baukulturelle Wert des Gebäudes bestehen, wenn eine Nutzung ende. Weitergehende Eingriffe seien im Hausarztprinzip immer individuell zu behandeln. Mit der Landeskirche seien jedoch gute Abstimmungsverfahren etabliert. 

In Workshops standen dann konkrete Projekte im Zentrum, die sowohl die Innovationskraft von Gemeinden und Ehrenamtlichen als auch die Gestaltungsspielräume im Blick auf die Kirchengebäude deutlichen machen konnten. So wurden im thüringischen Nöbdenitz Kirche und Pfarrhof zum Kristallisationspunkt der dörflichen Entwicklung, als mit kommunaler Beteiligung eine Kultur- und Bildungswerkstatt eingerichtet wurde. Als ein städtisches Beispiel wurde die Heilandskirche aus Leipzig vorgestellt, die bereits in den 1980ern auf Höhe der Emporen eine Zwischendecke erhielt und seit kurzem ein Stadtteilzentrum beherbergt. Die Lukaskirche Dresden wiederum präsentierte das Projekt „Campus-Forum-Lukaskirche“, bei dem die Kirche zu einem Ort des Austauschs zwischen unterschiedlichen Hochschulen, Religion, Gesellschaft, Wissenschaft und Kunst werden soll. Mit der Kirche Sora und der Lutherkirche in Zwickau waren zwei Projekte präsent, die Chancen und Möglichkeiten von Raumeinbauten veranschaulichten – sowohl für ein Gemeindeneugründungsprojekt (Zwickau) als auch für eine stärkere Vernetzung mit kommunalen Akteuren (Sora). Touristische Potentiale und Fördermöglichkeiten wurden bereits in der Mittagspause durch den Arbeitsbereich „Kirche und Tourismus“ der Landeskirche veranschaulicht. Die Her(r)bergskirche in Neustadt am Rennsteig zeigte dann, welche Raumqualität mit einer kleinen Übernachtungsmöglichkeit in der Kirche erschlossen wird und wie die Begegnung mit Gästen aus Nah und Fern auch die Dorfgemeinde belebt. „Ja, wir brauchen Kirchenräume als Resonanzräume, Begegnungsräume, Ermutigungs- und Trosträume. Als Räume für zweckfreies Da-Sein und Räume für energiegeladenen Aufbruch.“ So hatte es OLKRin Carmen Kuhn, Leiterin des Dezernats Grundstücks-, Bau- und Friedhofswesen am Beginn des Tages in ihrem Grußwort gesagt. Der Tag hat gezeigt, dass die Räume, die im Strukturrückbau manchmal eher als Last erscheinen, Ausgangspunkt von Öffnungsprozessen sein können und neue Vernetzungen von Kirche in einer säkularer werdenden Gesellschaft eröffnen.

Prof. Dr. Albert Gerhards

gerhards@transara.de

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