Dr. Manuela Klauser hat im Rahmen des Fachtags „Was wird aus unseren Kirchengebäuden – Teil 2“ des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e.V. am 17. Oktober 2025 im Pfarrsaal des Don Bosco Salesianums München einen Vortrag gehalten über " Das kirchliche Bauerbe des 20. Jahrhunderts: Chancen einer gemeinwohlorientieren Öffnung. Diakonische Kirchennutzung".
Im Vortrag wurde ein historischer Bogen geschlagen vom Kirchen- und Siedlungsbau der 1960er Jahre bis in die Jetztzeit und zu der großen, drängenden Frage, wie mit dem großen Kirchengebäudebestand – insbesondere mit den Kirchen aus dieser Ära zukünftig umzugehen ist und welche Bedeutung diese für gegenwärtige und zukünftige stadtplanerische Belange haben können. Anhand der Planungen der Interbau Berlin 1957 und der Parkstadtsiedlung Bogenhausen in München 1954 bis 1960, an denen beide Male die Münchener Architekten Franz und Sep Ruf beteiligt waren, wurde die aufgewertete Rolle des Kirchenbaus beider Konfessionen für Modellsiedlungen der Nachkriegsära erläutert. Die von Sep Ruf erbaute Kirche St. Johann von Capistran in der Parkstadtsiedlung wurde darüber hinaus 1960 vom Freisinger Erzbischof Kardinal Wendel zur offiziellen Kirche des Eucharistischen Weltkongresses in München erklärt und repräsentierte damit international die Weltoffenheit, Modernezugewandtheit und Liturgische Erneuerung des katholischen Sakralbaus in Deutschland. Neben innerkonfessionellen Weiterentwicklungen des Liturgie- und Seelsorgebegriffs wurde die moderne Sakralarchitektur Deutschlands zu einem wichtigen internationalen Aushängeschild und spielte eine wesentliche Rolle bei der Planung neuer Siedlungen und Stadtteile. Der Begriff der Diakonie ist ein überkonfessioneller Grundwert einer christlich-demokratischen Gesellschaft, der in den Kirchengemeinden ausgebildet und in ihren Räumen mehr und mehr greifbar gemacht wurde. Damit wurden Pfarrzentren zu wesentlichen Orten der Demokratiebildung. Aus diesem historischen Kontext ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung für den heutigen Umgang mit dem Gebäudebestand abzuleiten.
Im zweiten Teil des Vortrags zeigte Manuela Klauser die besondere Anlage und das Potenzial von Kirchenbauten des 20. Jahrhunderts für diakonische Nutzungserweiterungen auf, das sich sowohl aus dem seelsorgerischen Selbstverständnis von Pfarrkirchen als auch aus ihrer Bautypologie ableiten lässt. Anhand von Beispielen wie dem Trinitatisquartier in Hamburg, dem Umbau und der Re-Intergration der Kirche St. Ulrich in Stuttgart-Fasanenhof oder dem TRANSARA-Fallbeispiel St. Maria in Willich-Neersen wurde aber auch aufgezeigt, dass diese Entwicklungen erst durch die Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen möglich wurden und die Kommunen bei Planung und Integration der Projekte eine entscheidende Rolle spielen. Bisher kommen diese Kooperationsprojekte meist durch zufällig günstige Konstellationen oder durch starkes Engagement einzelner Akteure zustande. Ihre Erfolgsquote zeigt jedoch, dass gemeinwohlorientierte Re-Integration von Kirchengebäuden einen großen Mehrwert in der Quartiersentwicklung darstellt und diese in Zukunft durch kluge strategische Planung und Vernetzung unterstützt und erleichtert werden muss.