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14. Mai 2021

Vom Festsaal ins Kirchenschiff Vom Festsaal ins Kirchenschiff

Die wunderbare Metamorphose einer Walcker-Orgel

Die wohl größte Konzertsaalorgel Deutschlands befindet sich seit 2020 auf der Westempore der Kirche St. Antonius in Papenburg. Es handelt sich hierbei um ein Instrument, das 1927 vom Orgelbauer Eberhard Friedrich Walcker aus Ludwigsburg in das Gelsenkirchener Hans-Sachs-Haus eingebaut wurde. Dieses Gebäude wurde von 1924 bis 1927 als repräsentatives Rathaus im expressionistischen Stil mit Backsteinfassade vom Architekten Alfred Fischer errichtet. Die Orgel hatte dort ihren Standort im Festsaal. Sie besaß kein eigenständiges freistehendes Gehäuse, sondern war in den Bühnenaufbau des Saals integriert. Als das Hans-Sachs-Haus 2010 bis 2013 zum zeitgemäßen Verwaltungsgebäude umgebaut und entkernt wurde, musste die Orgel ausgebaut werden. Sie fand ihre vorläufige Bleibe beim Orgelbauer Seifert in Kevelaer und wurde dort fachgerecht fünf Jahre lang eingelagert. Bis die Antoniusgemeinde in Papenburg sie 2017 entdeckte, der Stadt Gelsenkirchen symbolisch für einen Euro abkaufte und nach einem prämierten Wettbewerbsentwurf vom Kölner Architekturbüro Königs Architekten neugestalten und in den Kirchenraum einbauen ließ. Ulrich Königs konzipierte ein vollständig neues, großes, und mehrteiliges Orgelgehäuse mit einer spezifisches Klanglamellenstruktur aus recycelten Naturfasern. Das Instrument ist nun als raumbestimmende Kirchenorgel, teilweise schwebend, teilweise stehend, im Westteil der neugotischen Antoniuskirche installiert und geht trotz ihrer Dimensionen und schlichten geometrischen Formen eine wunderbare Symbiose mit dem kleinteilig gegliederten historischen Sakralraum ein. Der Orgelklang wird hier sozusagen zum Raumbild. Es handelt sich bei dieser Transformation um einen der momentan eher seltenen Fälle für eine Orgel- Translozierung aus einem ursprünglich profanen Zusammenhang in einen neuen und historisch gewachsenen Sakralraumkontext.

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