Der diesjährige ev. Kirchbautag unter neuer Leitung des Kulturbüros der EKD fand vom 11. bis 13. September in Berlin statt. Die Forschungsgruppe TRANSARA war mit dem von Dr. Kerstin Menzel und Elisabeth März (beide TP 2) angebotenen Workshop „Welche Ideen passen unter Dach und Fach? – Theologie für die Transformation“ im Themenbereich „Nutzungspartnerschaften“ sowie mit Dr. Manuela Klauser (TP 1) auf dem Podium des Einführungsgesprächs im Themenbereich „Bedarfe und Realitäten“ beteiligt. Dr. Kerstin Menzel war bereits im Vorfeld an der inhaltlichen Konzeption des Bereichs „Bedarfe und Realitäten“ und der Formulierung der Thesen beteiligt. Darüber hinaus nahmen mehrere TRANSARA-Mitglieder an den angebotenen Vorträgen, Exkursionen und weiteren Workshops teil. Insgesamt blickten alle sehr beeindruckt auf die Offenheit zurück, mit der auf diesem Kirchbautag das Thema der zukünftigen Nutzungsoptionen und dafür notwendige Anpassungen in der (internen) Kommunikation, der Planung und auch der Haltung von Kirche verhandelt wurde.
Rückblick auf den Workshop „Welche Ideen passen unter Dach und Fach? – Theologie für die Transformation“
Im Zentrum des Workshops stand die Frage, inwiefern ein Kirchenraum als „sakraler“ Raum zu verstehen ist und welche Nutzungsmöglichkeiten sich daraus ergeben. Anhand von Bildern verschiedener „profaner“ Praktiken in umgenutzten bzw. erweitert genutzten Kirchenräumen wurde diskutiert, welche Nutzungen als angemessen empfunden werden und wo Grenzen überschritten scheinen. Während Gastronomie, Bars, Alkoholausschank, kommerzielle Veranstaltungen sowie säkulare Konkurrenzriten (Bestattung, Jugendweihe) eher kritisch betrachtet wurden, fanden Nutzungen, die an die soziale oder kulturelle Dimension der Kirchenräume anschließen, breite Zustimmung. Dieses – frühere Befragungen bestätigende – Ergebnis wurde dann mit verschiedenen Verständnissen von Sakralität in Verbindung gesetzt: Sakralität a) durch Weihe, was einen entfunktionalisierten Freiraum impliziert, b) durch bauliche Charakteristika, die eine spezifische Atmosphäre kreieren und die auch bei profanen Nachnutzungen wirksam bleiben, c) durch die gemeinsame religiöse Praxis, die bei Wegfall von Gottesdienst und Gebet eine pragmatische Alternativnutzung erlaubt oder d) durch das Zusammenspiel von Raumaspekten und Praktiken, was Sakralität als immer neu entstehenden Prozess begreift. In der Diskussion wurde deutlich, dass es theologische Gründe dafür gibt, dass kommerzielle Umnutzungen als unpassend empfunden werden, dass Neunutzungen die Chance bergen, Sakralität neu zu entdecken, statt sie zu verlieren, und dass es wichtig ist, auch die leeren Räume, die jeder alltäglichen Nutzung enthoben sind, zu erhalten und nicht jeden Kirchenraum in der Nutzung zu verdichten. Kontrovers diskutiert wurden auch Tendenzen zur Privatisierung durch innerkirchliche und nutzungserweiterte Raumgestaltung sowie die Frage, welche spezifischen und bewahrenswerten Verständnisse von Sakralität die Kirchenbauten des 20. Jahrhunderts einspielen.
Rückblick auf die Diskussion im Fachbereich „Bedarfe und Realitäten“
Unter der gemeinsamen Moderation von Konstantin Manthey (kath. Aademie Berlin) und Johann Hinrich Claussen (Kulturbüro der EKD) diskutierten der ev. Superintendent des Kirchenkreises Neukölln, Christian Nottmeier, Dr. Manuela Klauser von TRANSARA und der Bereichsleiter Bau des Erzbistums Berlin, Andreas Roth das im Vorfeld erarbeitete Thesenpapier „Neue Perspektiven auf Bedarfe und Realitäten“ [link: https://kirchbautag.de/wp-content/uploads/2025/03/Perspektiven-BEDARFE-zur-Diskussion.pdf ]. Allen Aspekten des Papiers zur realitätsbezogenen Besinnung auf die Notwendigkeit, Kirchengebäude aufzugeben und/oder umzunutzen, wurde dabei zugestimmt. In der weiteren Diskussion wurde vom Plenum aber eingefordert, sich auch und gerade im Zusammenhang mit Immobilienentscheidungsprozessen in den Kirchengemeinden auf die Grenzen von und die übergeordnete Verantwortung für ehrenamtliches Engagement zu besinnen. Es braucht zukünftig mehr Aus- und Fortbildungsangebote für dieses Thema, das Anerkennen von Grenzen und die Auszeichnung von ehrenamtlicher Beteiligung. Unter Verweis auf die Vorträge von Rainer Nagel (Bundesstiftung Baukultur) und Jörg Beste (synergon Köln) im Rahmen des Kirchbautags appellierte Manuela Klauser, sich bei der Abgabe und Umnutzung von kirchlichen Gebäuden auf eine offene und kooperationsbereite Haltung zu besinnen und keinen resignierenden „Rückzug“ zu signalisieren.
Eine sehr gute Zusammenfassung und Einordnung der Themen und Ergebnisse des ev. Kirchbautags Berlin und des kurz zuvor veranstalteten Schweizer Kirchbautags in Zürich bietet auch der kürzlich erschienene Essay von Kerstin Menzel im online-Magazin feinschwarz:
https://www.feinschwarz.net/kirchengebaeude-in-den-sozialraum-oeffnen-aber-wie/Infobox