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05. Juli 2023

Rückblick zur polis Convention und zum Vorabendevent 25.04. bis 27.04.2023 Rückblick zur polis Convention und zum Vorabendevent 25.04. bis 27.04.2023

Johann Weiß, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Teilprojekt 5, war zur diesjährigen polis Convention und dem dazugehörigen Vorabendevent als Referent geladen.

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Fotoreportage_im_Nasebands_115.jpg © Andrea Kiesendahl
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Vorabendevent 25.04.2023

Beim Vorabendevent "Die neue S-Klasse - Wie funktionieren sozial nachhaltige Immobilien?" im Vorfeld der polis Convention 2023 kamen Expert*innen zum Thema soziale Nachhaltigkeit bei Altbier und Snacks am Bartresen der Düsseldorfer Kneipeninstitution „Naseband ́s“ zusammen, um das S in ESG in den Fokus der Immobilienbranche zu rücken. Zusammen mit Anne-Katrin Kempter (Competence Center Process Management Real Estate (CC PMRE)), Lisa-Maria Homagk (Quantum) und Lisa Winter (AktivBo) durfte ich mit meinem Impulsvortrag zur Relevanz und zum Potenzial der Umnutzung kirchlicher Liegenschaften einen zusätzlichen fachlichen Input liefern, der bisher in der Branche noch wenig Beachtung findet. Die Institution Kirche muss als bedeutender Stakeholder der Stadtentwicklung verstanden werden und ihre "soziale Ader" als Grundbestandteil ihrer DNA wiederentdecken. In der Umnutzung von Kirchengebäuden schlummert erhebliches Potenzial zur sozialen und finanziellen Wertschöpfung, die sowohl zu einem Imagewandel als auch zur Verbesserung der finanziellen Lage der Kirchen beitragen kann.
Ein großer Dank gilt Anne Tischer (Karma she said GmbH) für die Moderation und Mike Naseband für die Location und Versorgung. Vielen Dank auch den Organisatoren Team ZukunftsQuartiere GmbH bzw. Ulf Walliczek, Haris Suta von VEOMO sowie Lars Eickhoff und Tim Godejohann von DeepImmo.
Schon hier wurde sehr großes Interesse am Thema Seitens der Immobilienbranche gezeigt, gefragt wurde insbesondere nach dem richtigen Umgang/Zugang zu kirchlichen Stakeholdern,um zusammen Konzepte zur Objekt- und insbesondere Quartiersentwicklung zu schaffen. Einige Teilnehmer haben bereits Erfahrung mit Kirchenumnutzungen, bspw. hat ein Teilnehmer über einen längeren Zeitraum mit dem Bistum Essen Kontakt, hier wird angabegemäß die Verantwortung innerhalb des Bistums hin und hergeschoben, weshalb bisher auch keine wirklichen Ergebnisse zu verzeichnen sind.
In Folgegesprächen wurde kritisiert, dass kirchliche Stakeholder tendenziell lieber zu hochtrabenden Architektenentwürfen greifen, die aber keinerlei Aussage über die Wirtschaftlichkeit des Projekts liefern. Bei einer simplen Projektentwicklungsrechnung sei bei den Kirchenvertretern meist Schluss, sowohl vom Verständnis als auch vom Willen der Umsetzung her. Ein kaufmännischer Ansatz ist aber von den schlussendlich beauftragten Architekturbüros nicht zu erwarten, dementsprechend erklären sich das Phänomen der vielen Ideen im luftleeren Raum, welches beim Thema Kirchenumnutzung immer wieder zu beobachten ist. Die Verantwortung für eine konkrete Umsetzung will meist keiner der Akteure innerhalb der kirchlichen Strukturen übernehmen und so verlaufen Projekte oftmals im Sande. Die überaus interessanten Vorträge hatten vorwiegend die soziale Nachhaltigkeit und die
entsprechenden Messinstrumente sowie aktuelle Studien und den Nutzen von Mieterzufriedenheitsbefragungen zum Thema. Mein Vortrag konzentrierte sich auf die Potenziale kirchlicher Liegenschaften.

Key Takeaways der Polis Convention 2023

Eine „einzelne“ Kirchenumnutzung ähnelt stark dem Aufbau einer „ganzen“ Quartiersentwicklung hinsichtlich ihrer Stakeholder, Potenzialanalysen und der Querfinanzierung sozialer Nutzungsarten. Mein Vorschlag für die Konzeptentwicklung, der bereits teilweise in der immobilienwirtschaftlichen Praxis angewendet wird, ist der sog. Co-
Design- oder auch der Co-Creation-Ansatz. Einen Best-Practice-Ansatz für diesen Ansatz beim Thema Quartiersentwicklung liefert bspw. das Team Zukunft Quartiere um Ulf Walliczek, der mich bereits – und damit die Expertise von Teilprojekt 5 und TRANSARA – in sein Netzwerk eingebunden hat.
Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Quartiersentwicklung liegt oftmals in freiwilligen Beteiligungsverfahren, die auch für Kirchenumnutzungen zum Ansatz gebracht werden können, um Widerstände in der Kommune bzw. Bevölkerung präventiv zu verhindern oder zumindest zu minimieren! Hier zeigt sich auch ein wiederkehrendes Element aus der Stadtentwicklung und ein gewisser Link zu Jane Jacobs, die in ihren Werken unter anderem dafür plädiert, dass Nutzer bzw. Anwohner die besten Entwickler ihres eigenen Quartiers  seien; selbes gilt natürlich für Kirchengebäude.
Der Fokus beim Thema sozial nachhaltiger Quartiersentwicklung lag auf dem Social Pay Off für das ganze Quartier, der sowohl gemessen als auch über andere Nutzungsarten etc. querfinanziert werden muss, was ggf. durch ein Quartiersmanagement erfolgen kann. Mixed-Use-Konzepte scheinen die größte Krisenresilienz zu besitzen und den höchsten langfristigen finanziellen und sozialen Erfolg zu verzeichnen. Auch für Kirchengebäude sollte
ein Mischnutzungskonzept und insbesondere die Mehrfachnutzung eine Good bzw. Best Practice darstellen. Ein gutes Beispiel für sog. Mehrfachnutzungen sind Einzelhandelsflächen im Erdgeschoss, die bei Tage zwar genutzt, nachts jedoch ungenutzt sind und somit Raum für eine weitere Nutzung lassen. Hier zeigen sich Parallelen zum Thema Hybridität und zum Teilprojekt 7.
 
Das Social in ESG (Abkürzung für Environmental Social Governance, ESG-Kriterien werden zur Bewertung von Nachhaltigkeitsaspekten eingesetzt) liefert nach Erkenntnissen aus der Konferenz die größte Resilienz, insbesondere da das E bzw. die ökologische Nachhaltigkeit immer mehr zum Standard wird und der soziale Aspekt bisher noch verhältnismäßig wenig Beachtung findet. Eine externe Dienstleistung im Sinne eines Quartiersmanagements macht
hier am meisten Sinn, um Potenziale zu heben und langfristig funktionierende Stadtteile zu schaffen. Dieses muss aus dem Quartier heraus finanziert werden. Ebenso könnte sich eine Kirchenumnutzung aus dem Quartier heraus finanzieren lassen. Ein solches Quartiersmanagement muss dabei unabhängig vom Investor sein, um eine gewisse Langfristigkeit zu garantieren, die Verknüpfung zur Forschung ist hier beim Stichwort „Plattformen“ zu suchen, über die sich mehrere Vermieter von bspw. Einzelhandelsflächen zusammenschließen könnten und durch Multiplikatoreffekte wieder konkurrenzfähig werden.
Mein Fazit hierzu lautet: Externe Effekte und immaterielle Werte müssen in die Wirtschaftlichkeitsrechnung einfließen, und zwar auf Quartiersebene. Beim Gespräch mit Kommunen fiel auf, dass diese keine wirkliche Bindung oder Verbindung zu kirchlichen Stakeholdern haben und diese auch nicht aktiv ansprechen, wenn es um die
Entwicklung ihrer Stadtteile geht.
Die komplette Abwesenheit von kirchlichen Akteuren auf einer Konferenz zum Thema Stadtentwicklung finde ich persönlich bedenklich, wenn man bedenkt welchen enormen Immobilienbestand man hier zur nachhaltigen Stadtentwicklung bereitstellen könnte. Das zeigt auch meine Erfahrung der EXPO Real im vergangenen Jahr: es gibt hier scheinbar (noch) kein Interesse Seitens der Kirchen mit der Immobilienwirtschaft in einen engeren Austausch zu gehen.
Johann Weiß, 29.06.2023
(für TRANSARA TP 5)

Johann Weiß

weiss@transara.de

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