Universität Bonn

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23. Mai 2025

Studienbesuch des EU-Interreg Projekts REliHE in der Oberpfalz am 10./11. März 2025 REliHE Studienbesuch Oberpfalz März 2025

Exkursionsbericht von Manuela Klauser

Das EU-Interreg Projekt REliHE besuchte im März 2025 die Oberpfalz. Manuela Klauser nahm für TRANSARA daran teil.

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REliHE1.JPG © (c) by Project REliHE
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Im Rahmen des EU-Interreg Projekts REliHE (Religious Heritage in Rural Areas [link: https://www.interregeurope.eu/relihe] ) unter der Leitung des Politecnico di Torino (Italien), haben die Projektpartner der Region Oberpfalz (Upper Palatinate) einen dreitägigen Studienbesuch für die weiteren sechs Projektpartner aus den Niederlanden, Spanien, Lettland, Polen, Italien und Tschechien organisiert. Als externe Beobachterin für das DFG-Forschungsprojekt Sakralraumtransformation (TRANSARA) durfte Manuela Klauser das Projekt zwei Tage lang begleiten.

Am Montag, 10.3.2025 ging es zunächst in die ehem. Benediktinerabtei Frauenzell bei Regensburg, einem bereits seit der Säkularisation verlassenen und in unterschiedlichen Formen genutzten sowie auf verschiedene Eigentümer (u. a. Privatpersonen, Kommune, kath. Kirchengemeinde) aufgeteilten Klosterkomplex. Die Kommune arbeitet unter der Leitung von Bürgermeisterin Irmgard Sauerer seit längerem an Konzepten für eine nachhaltige und ortszugewandte Nutzung. In Zusammenarbeit mit der Agentur bauwärts und der OTH Regensburg werden zugleich Kulturprogramme als auch Konzepte für eine nachhaltige Revitalisierung des Komplexes als dritter Ort entwickelt. Stephanie Reiterer (bauwärts / OTH Regensburg) erläuterte die Programme, Events und strategischen Konzepte der vergangenen drei Jahre anhand einer umfassenden Foto-Dokumentation. Deutlich wurde in der Reflektion des bisher Erreichten, dass die aktuell größte Hürde die Etablierung des Areals als eines lokal zugewandten und für alle ansprechenden Orts darstellt. Eine Hürde, die nicht unüberwindbar ist, aber vor allem Zeit und anhaltendes Engagement einfordert. Zudem bedürfen die verschiedenen Klostertrakte, vor allem diejenigen Teile, die im Besitz der Gemeinde sind, umfassender Instandsetzungsmaßnahmen. Ziel ist dabei nicht eine vollständige Rekonstruktion ursprünglicher Pracht, sondern eine denkmalgerechte Sicherung des Ist-Bestands und eine Ertüchtigung der Räumlichkeiten für eine vielseitige Nutzung in den Bereichen Kultur, Bildung und Soziales. Die von der Agentur bauwärts durchgeführten Projekte demonstrieren das Aktivierungs- und Vitalisierungspotenzial durch offene Dritte Orte, die nicht allein den Tourismussektor bedienen, sondern lokale Gemeinschaften ansprechen und für die Nutzung des Ortes gewinnen möchten. Vor allem aber ermöglichen diese Maßnahmen eine niedrigschwellige Teilhabe an der Vielzahl der Angebote, nicht nur als Nutzer*innen, sondern auch als Anbieter*innen. Diese Form der Re-Aktivierung und Re-Vitalisierung von religiösem Kulturerbe als Sozialer Raum für verschiedenste Akteure wirkt nicht allein vernetzend und gemeinschaftsbildend, sondern trägt darüber hinaus in allen Altersstufen entscheidend zur Bewusstseins- und Verantwortungsbildung für kulturelles Erbe bei. Dennoch steht die Kommune weiterhin vor der großen Herausfoderung, einen finanzstarken Träger für das ehemal. Kloster Frauenzell zu finden.

Am Mittag führte die Reise weiter in den Ort Maxhütte-Haidhof, der Anfang der 2000er Jahre vom Verlust zahlreicher Arbeitsplätze durch die Schließung des Stahlwerks Maxhütte betroffen war. In Maxhütte wurde in den 1920er Jahren die Pfarrkirche St. Barbara in neobarockem Stil errichtet, die nach dem Zweiten Weltkrieg durch einen mehr als doppelt so großen Neubau mit demselben Patrozinium ergänzt wurde. Die alte Pfarrkirche erhielt den Status einer Friedhofskirche. Heute denkt die Pfarrgemeinde darüber nach, den älteren, sanierungsbedürftigen Bau als Pfarrkirche zu reaktivieren und den übergroßen Neubau mit bemerkenswerter Originalausstattung aus der Bauzeit sowie nachkonziliarem Volksaltar abzugeben. Gemeinsam mit der Kommune laufen derzeit Überlegungen, das Gebäude als offenes Quartierszentrum im Zuge der Erschließung umliegender Grundstücke als Wohngebiet weiterzuentwickeln. Als Grundlage hierfür dienen die Ergebnisse einer dreijährigen ISEK-Analyse (integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept [link: https://www.maxhuette-haidhof.de/Planen-Bauen/Planen-Bauen-/Stadtentwicklung/Integriertes-Städtebauliches-Entwicklungskonzept-ISEK-/]). Von einer Gruppe Architekturstudenten der OTH Regensburg wurde unter Leitung von Frau Prof. Anne Beer 2024 eine Architekturstudie der Nachkriegskirche als Seminararbeit durchgeführt. Prof. Anne Beer erläuterte anhand der Modelle der Architekturstudenten das Potenzial des Gebäudes und ordnete die Überlegungen zur Neunutzung des Nachkriegsbaus in deutschlandweite Entwicklungen zum Thema Sakralraumtransformation ein. Der architektonischen und künstlerischen Qualität des Bauwerks steht seine für die heutige liturgische Nutzung durch die deutlich geschrumpfte katholische Gemeinde ungeeignete Größe entgegen. Gleichzeitig muss die kleinere Kirche erst durch eine grundlegende Sanierung für eine regelmäßige gottesdienstliche Nutzung ertüchtigt werden. Die bisherigen Überlegungen sind noch hypothetisch, aber sowohl Kirchengemeinde als auch Kommune sind sich bewusst, dass ein Lösungsansatz schon bald auf den Weg gebracht werden muss. Eine gemeinsame Weiterentwicklung des größeren Gebäudes als Kultur- und Quartierzentrum inklusive eines kleinen Bereichs für eine kirchliche Weiternutzung ist dabei eine von vielen Überlegungen, die jedoch nur von ganz wenigen Studierenden aufgegriffen wurde, obwohl hierin vielleicht das größte und gewinnbringendste Potenzial für beide Seiten liegt. Als Vorbild sei auf das TRANSARA-Fallbeispiel des Gemeindezentrums St. Marien in Willich-Neersen [link: https://www.transara.uni-bonn.de/transformationslandschaften/de/objekte/aachen/st-mariae-empfaengnis] verwiesen, eine ebenfalls überdimensionierte Nachkriegskirche, die heute gemeinsam von Kirchengemeinde und Caritas betrieben wird. Die Kommune hat den Umbau des Gebäudes und die Einrichtung u.a. einer großen Stadtteilbibliothek maßgeblich begleitet und gefördert.

Am Abend erreichte die Gruppe die Zisterzienserinnenabtei Waldsassen, in deren 2007/2008 neu erbauten Kultur- und Begegnungszentrum Haus St. Joseph gespeist und übernachtet wurde, bevor die Gruppe am Dienstag Vormittag in einem Vortrag und einer Führung durch das gesamte Gebäudeensemble erfuhr, wie der aus inzwischen nur noch 6 Nonnen bestehende Zisterzienserinnen-Konvent in den vergangenen 20 Jahren mit Beharrlichkeit die Sanierung, Revitalisierung und wirtschaftliche Neuausrichtung der Gebäude erreicht hat. Die große Klosterkirche gehört seit der Säkularisation 1803 dem Freistaat Bayern und wird als Pfarrkirche genutzt. Der Klosterbetrieb ruht heute auf 3 Säulen: der langjährigen Führung der Mädchen-Realschule, dem 2007/2008 von Brückner & Brückner entworfenen Um-/Neubau der verfallenen Gebäude der alten Mälzerei in einen Hotel-, Restaurant- und Tagungsbetrieb sowie der Generalsanierung des gesamten Gebäude-Ensembles (seit 1993 in vier großen Abschnitten) mit dem Ziel, seine touristische Attraktivität zu erhöhen und es zugleich enger an den Ort Waldsassen zu binden. Mit dem hochwertigen Wiederaufbau der Alten Mälzerei und ihrer Umnutzung wurde nicht nur ein bis dahin verfallener Bereich der Ortsmitte reaktiviert, sondern durch die Schaffung eines stimmungsvollen Vorplatzes inklusive Veroneser Brunnen auch eine neue Verbindung zwischen Klosterbetrieb und Ortskern hergestellt. Ein Teil des weitläufigen Parkgeländes rund um das Kloster ist seit Jahren als Umweltgarten nicht nur für die Schülerinnen der Realschule, sondern auch als Lehrzentrum in Betrieb und soll weiter ausgebaut werden. Positiv ist nicht nur die vorbildliche Zusammenarbeit zwischen dem Bürgermeisteramt der Stadt Waldsassen und allen weiteren Akteuren hervorzuheben, sondern auch die bei der Generalsanierung an allen Außenbereichen festzustellende Bestrebung, zwischen den Bereichen des Klosters und des Ortes fließende Übergänge zu gestalten.

Mittags besuchte die Gruppe die ev. Kirche St. Paulus in Trabitz, um dort mehr über das progressive Joint Venture zwischen der LearningCampus gGmbH, einem freien Träger der Jugendhilfe, und der ev. Kirchengemeinde zu erfahren. Der schlichte Saalbau von 1957 mit versetztem Pultdach wird zukünftig nicht mehr von der ELKB finanziert. Die Kirchengemeinde gehört zu Neustadt am Kulm. Die Kirchengemeinde suchte nach einer Lösung für den Unterhalt des Gebäudes, der zugleich eine gottesdienstliche Nutzung weitererlaubt. In enger Zusammenarbeit mit der Bürgermeisterin Carmen Pepiuk wurde mit LearningCampus ein Miet- und Nutzungsvertrag abgeschlossen, der diese Doppelfunktion des Gebäudes erlaubt. LearningCampus nutzt die kleine Saalkirche mit abtrennbarem Seitenschiff als Fortbildungsstätte und Seminarraum für die eigenen Mitarbeitenden, als Tagesraum für die nachmittägliche Betreuung von Kindern und Jugendlichen und als Aktivityraum für Ferien- und Wochenendprogramme. Die Kirchengemeinde feiert weiterhin regelmäßig Gottesdienst, veranstaltet Jahreszeitenkonzerte und ist auch in die Nutzungskonzepte durch LearningCampus eng eingebunden. Besonders positiv ist an diesem Beispiel das offene Aufeinanderzugehen zweier unterschiedlicher Gruppen mit ähnlichem Anliegen – der Schaffung gemeinwohlorientierter Angebote für die lokale Gemeinschaft – hervorzuheben. Durch die professionelle Begleitung und Unterstützung des Projekts seitens der Kommune fühlen sich alle Beteiligten mit der gefunden Lösung wohl. Das Ergebnis ist eine ausgewogene, für den Ort bestens geeignete Hybridnutzung, die das Gebäude nicht überformt, die Kirchengemeinde nicht ausgrenzt und alle Projektbeteiligten und Nutzer*innen integrativ zusammenführt.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass das zusammengestellte Programm einen sehr guten Querschnitt aus Projekten mit überregionaler Förderung und der notwendigen Auseinandersetzung mit lokalen Herausforderungen gebildet hat. Aus der Perspektive der TRANSARA-Forschung, die sich seit 2020 mit Umnutzungsprozessen von Kirchengebäuden, den beteiligten Akteuren sowie den daraus resultierenden neuen Raumlogiken und -praktiken befasst, ist bei allen ausgewählten Projekten positiv das ausgeprägte gemeinschaftliche und bürgerschaftlich orientierte Engagement hervorzuheben. In Bezug auf die Weiterentwicklung und Weiternutzung der religiösen Erbestätten ist hervorzuheben, dass der mehrfach gezeigte Ansatz einer offenen Interaktion zwischen Religion, Kultur und Landschaft neue Praktiken im Umgang mit dem Kulturerbe hervorbringen wird und so dazu beiträgt, den physischen Raum neu zu erleben und zu formen. Dieser Ansatz erscheint umso bedeutsamer, wenn verlassene oder untergenutzte religiöse Gebäude regeneriert und in hybrider Weise weiterverwendet werden (Kombination von monastischer resp. liturgischer Nutzung mit kulturellen und sozialen Aktivitäten).

Während die Gruppe am nächsten Tag (12.3.) noch die Benediktinerabtei Plankstetten besuchte, musste ich mich leider am Dienstag Abend verabschieden. Ich danke dem Team des Projekts REliHE Oberpfalz für die großartige Vorbereitung und Organisation der Reise und für die Einladung, sie begleiten zu dürfen. Ich danke allen Partner*innen vor Ort für ihr unermüdliches lokales Engagement und die Offenheit, mit der über Planungen, Schwierigkeiten, Herausforderungen und Erfolge berichtet wurde. Allen Projektpartnern aus den Niederlanden, Spanien, Lettland, Polen, Italien und Tschechien danke ich für die herzliche Aufnahme in die Gruppe, die inspirierenden Gespräche und die Einblicke in internationale Positionen zum Thema. Ich habe sehr viel gelernt und freue mich, das Projekt noch eine zeitlang für TRANSARA weiter begleiten zu dürfen.

Manuela Klauser

Dr. Manuela Klauser

klauser@transara.de

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