Über das Projekt – Forschungsgruppe 2733: Sakralraumtransformation. Funktion und Nutzung religiöser Orte in Deutschland

Die Relevanz und Aktualität dieses DFG-Projektes besteht in der hohen gesellschaftlichen Akzeptanz und Wertschätzung von Kirchengebäuden. Das Festhalten an ihnen ist weitaus stabiler und verbreiteter, als die gegenwärtigen Schrumpfungs- und Differenzierungsprozesse in den institutionellen Kirchen dies erwarten lassen. Sakralräume werden auch von nicht religiös geprägten Menschen positiv konnotiert als besondere, wertvolle Räume, als Freiräume ohne zweckgebundene (z.B. kommerzielle) Nutzung. Ihre Bedeutung für die Allgemeinheit liegt insbesondere in ihrer über die Konfessions- bzw. Religionsgrenzen hinausgehenden Orientierungsfunktion für das individuelle und kollektive Gedächtnis, worauf z. B. der zunehmende religiöse Tourismus hindeutet. Sakrale Räume haben somit auch für die breitere Bevölkerung einen Identifikationswert. Die Signaturen unserer Zeit wie Pluralisierung, Traditionsverlust, Individualisierung, Globalisierung und Glokalisierung stellen Menschen vor die Herausforderung, die eigene Identität ständig neu konstruieren zu müssen. Dies führt zu Kontroversen bei Ortsveränderungen: Die Schaffung von Neuem wird mitunter als Verlust von Gewohntem wahrgenommen. Vor dem Hintergrund der rückläufigen Kirchenmitgliederzahlen werden zunehmend Kirchen verkauft, bleiben ungenutzt oder werden abgerissen. Der damit einhergehende Transformationsprozess verläuft jedoch überwiegend unstrukturiert und berücksichtigt nicht alle relevanten Kriterien der Entscheidungssituation. Ziel dieses interdisziplinären Forschungsprogramms ist es, durch die Zusammenführung der unterschiedlichen Forschungsansätze eine praxisrelevante „Theorie des sakralen Raumes“ im 21. Jahrhundert zu erarbeiten. Die divergenten Fragestellungen werden analysiert und strukturiert, um die Grundlagen für die Veränderungsprozesse seit der Wiedervereinigung Deutschlands ab den Jahren 1989/90 bis heute erforschen zu können. An den Transformationen sind verschiedene Interessengruppen auf unterschiedlichen Ebenen beteiligt. Zum einen sind es Politik und Kirchenleitungen, zum anderen Kommunen und christliche Ortsgemeinden, der Immobilienmarkt, die Wirtschaft sowie der Denkmalschutz und schließlich der einzelne Mensch und seine Beziehung zum Sakralraum. Die Grundfragestellung lautet: Welche Kriterien müssen bei der Aufgabenstellung der Transformation von Kirchenbauten und sakralen Orten im Allgemeinen beachtet werden, damit divergierende Interessen proaktiv und konstruktiv koordiniert werden können und der Integrität des Sakralraums sowohl auf interdisziplinärer Ebene (im Bereich des wissenschaftlichen Diskurses) als auch auf transdisziplinärer Ebene (im Zusammenspiel von Wissenschaft und praktischer Anwendung) Rechnung getragen wird? Die inter- und transdisziplinäre Fokussierung auf sakrale Orte eröffnet in einer der Sachlage angemessenen Breite und Tiefe die Möglichkeit, diebislang meist auseinanderklaffenden Ebenen – theoretische Diskurse hier und konkrete Initiativen dort – miteinander zu verschränken.
Die beiden Untersuchungsräume Aachen und Leipzig ermöglichen einen Vergleich zwischen Regionen mit unterschiedlichen konfessionellen Prägungen, Ost und West, städtischen und ländlichen Räumen.
Die Forschungsgruppe Sakralraumtransformation arbeitet in sieben Teilprojekten, die jeweils mit einer unterschiedlichen Perspektive das Thema der Sakralraumtransformation betrachten und an verschiedenen Universitäten und Hochschulen angesiedelt sind. Dazu zählen die Rheinische Friedrich-Wilhelms Universität Bonn, die Universität zu Köln, Bergische Universität Wuppertal, Katholische Akademie Schwerte, die Universität Leipzig.
Das Gesamtprojekt wird koordiniert von dem Sprecher Professor Dr. Albert Gerhardsn an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität Bonn, der stellvertretenden Sprecherin Apl. Prof. Dr. Stefanie Lieb an der Universität zu Köln und von Dr. Kerstin Menzel als Koordinatorin an der Universität Leipzig.